Lieber reich und gesund …

Nun ist sie, zumindest vorerst, erledigt, die Kampagne gegen die vermeintliche Zweiklassenmedizin und mit ihr die Bürgerversicherung, die alles richten sollte. Nachdem in Bietigheim ein Lokalmatador die Diskussion mit lustigen Sprüchen befeuert hat, ist sie zur wohltuenden Sachlichkeit zurückgekehrt. Und sofort zeigt sich: Es besteht kein Grund, in Bietigheim auf hohem Niveau zu jammern.

Die hausärztliche Versorgung ist gewährleistet. Auf die Probleme, die sich in der ländlichen Region verschärfen und irgendwann auch Bietigheim erreichen werden, hat mein Kollege Dieter Baumgärtner an dieser Stelle vor acht Jahren hingewiesen. Wie man Abhilfe schafft, hat er bei der Einrichtung der Notfallpraxis gezeigt.

Die Palette an Fachärzten ist reichhaltig und die Krankenhäuser der Kliniken-GmbH bieten medizinische Spitzenleistung für alle Patienten. Das weckt Erinnerungen an das Geschrei nach dem klassenlosen Krankenhaus der 70er Jahre. Es ebbte schnell ab, als sich auch unter Gewerkschaftsfunktionären herumsprach, dass sie womöglich mit einem Arbeiter das Zimmer teilen müssten.

Ähnlich jetzt die Debatte um die Terminvergabe in Arztpraxen. Nachdem sich die Terminservicestellen als Lachnummer erwiesen hatten, sollte die Bürgerversicherung für Verteilungsgerechtigkeit sorgen. Das hätte sie auch, denn Privatpatienten müssten dann genau so lang warten, was sie zum Teil jetzt schon tun und alle insgesamt länger. Denn wie das System erhalten oder gar verbessert werden sollte, wenn die Quersubventionierung durch die privat Versicherten wegfiele, hat mir noch niemand verraten, außer dass die Beiträge um geschätzte 1,5 Prozentpunkte steigen würden. Kein Wunder, dass sich auch bei den gesetzlichen Krankenkassen die Begeisterung über die Einheitskasse in Grenzen hielt und einer ihrer Spitzenvertreter in dieser Zeitung dem unsäglichen Schlagwort von der Zweiklassenmedizin eine eindeutige Absage erteilt hat.

Überlassen wir die Lösung der Probleme denen, die etwas davon verstehen anstatt irgendwelchen Ideologen, die sich noch nie Gedanken machen mussten, wie man in einer Arztpraxis nach den Regeln der Kunst und des menschlichen Mitempfindens mit den ratsuchenden Patienten umgeht.

Dr. Georg Mehrle, Februar 2018

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