Wie elitär ist Bietigheim-Bissingen?

Dreizehn Jahre ist es her, dass Franz Müntefering, Bundesvorsitzender der SPD, eine geistige Elite einforderte, die Deutschland an die wissenschaftliche und technologische Weltspitze bringen sollte. Heute sammelt einer seiner Parteigenossen Sympathiepunkte mit der Botschaft, um Bundeskanzler zu werden bedürfe es keiner abgeschlossenen Schulbildung. Damit liegt er im Trend, denn am anderen Rand des politischen Spektrums hat in Bietigheim bei der Landtagswahl eine Partei 15 Prozent der Stimmen bekommen, die „denen da oben“ den Kampf angesagt hat. Müssten wir, wenn heute Gemeinderatswahl wäre, damit rechnen, dass es eine Abstimmung gegen das gäbe, was Marine Le Pen als das „elitäre System“ bezeichnet?

Wohl eher nicht. Elitär war im antiken Rom, was sich bei einer Auswahl durchsetzte. Insofern mag es auf Oberbürgermeister und Gemeinderat zutreffen. Elitäres Gehabe wäre aber wohl das Letzte, was man unserem Gemeinderat vorwerfen könnte. Hier haben die Wähler für Ausgewogenheit gesorgt und jüngste Beispiele belegen, dass man es sich als Mitglied dieses Gremiums genau überlegen sollte, ehe man sich vom wohltemperierten Miteinander verabschiedet und sich auf das schwankende politische Hochseil begibt. Und dass im vergangenen Jahr ein Bürgerentscheid gegen einen Gemeinderatsbeschluss Erfolg hatte, war wohl weniger eine Ablehnung elitären Denkens und Handelns als eher dessen Gegenteils.

Als elitär verdächtig macht sich, wer über Geld verfügt und Bietigheim ist reich. Versuchungen, ins abgehoben Elitäre abzudriften, endeten zeitgleich mit dem Traum vom Porschepolis an der Enz. Es ist aber keineswegs verwerflich, wenn eine reiche Stadt auf den Ebenen von Kultur und Sport dafür sorgt, dass Breite und Spitze mit- und voneinander leben. Und wenn in unserem Land da und dort zu vernehmen ist, einen an den Grundwerten orientierten Umgang mit Flüchtlingen leiste sich eine Elite auf Kosten der Benachteiligten, dann kann sich Bietigheim diesen elitären Schuh getrost anziehen, selbst dann, wenn Martin Schulz im Einklang mit seinen Antipoden von rechts verkündet, ihn interessiere „nicht das Denken der selbst ernannten Elite, sondern der hart arbeitenden Menschen.“

Meinetwegen, aber bitte nicht in Bietigheim.

Dr. Georg Mehrle

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