Anmerkungen zu Bürgerentscheiden

Demokrat, was nun?

„Dat haben wir uns anders vorjestellt,“ sagte Konrad Adenauer, als sich das Bundesverfassungsgericht querlegte und Jahre danach polterte ein Kabinettsmitglied, er lasse sich von den „acht Arschlöchern in Karlsruhe“ nicht die Politik vorschreiben.

Schon immer hatten diejenigen Probleme mit der Teilung in die drei Gewalten, die sich von einer derselben in ihren Aktivitäten ausgebremst sahen. In Baden-Württemberg ist ihnen seit 1.12.2015 eine vierte zugewachsen: der Bürgerentscheid in der neuen Fassung des § 21 Gemeindeordnung.

Wie kam es dazu? Eine Landesregierung, angeführt von einem Chef, dessen Partei sich als die Erfinderin der Basisdemokratie versteht, wollte eben derselben, allen Experten zum Trotz, einen besonderen Gefallen tun. In Bietigheim ist eine Falle zugeschnappt, denn im Gesetz ist zwar die Bauleitplanung ausgenommen, es sei denn, das Bürgerbegehren erfolge schon ganz zu Beginn, was hier passiert ist. Nicht wenige bei Stadt und Rat treibt die Frage um, ob es sich überhaupt noch empfiehlt, Verantwortung zu übernehmen oder ob bald das Sankt-Floriansprinzip regieren wird und Einzelinteressen über die Zukunft unserer Stadt entscheiden. Vielleicht mischt sich in die klammheimliche Freude über die Folgen derartigen Bürgerzorns auch die Erkenntnis, dass öffentliche Großprojekte wie der Berliner Flughafen oder die Hamburger Elbphilharmonie viel Vertrauen aufgezehrt haben.

Unlängst stand in der ZEIT, mehr Volksabstimmungen seien „das Letzte, was dieses Land braucht.“ Man müsse auch die Macht des Volkes begrenzen. Wer die Institutionen schwäche, schwäche die Demokratie und die Freiheit. Ganz so schlimm wird es für die repräsentative Demokratie wohl nicht kommen.

Voraussetzung dafür ist aber, dass Fehler, wie sie in Bietigheim begangen wurden, künftig unterbleiben und jedes Vorhaben beizeiten auf seine politische Brisanz überprüft wird. Wenn es dann noch in einer Weise vermittelt wird, die eine professionelle Handschrift erkennen lässt, braucht es uns nicht bange zu werden.

Dr. Georg Mehrle

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